Die Initiative für eine neue Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen bekommt kräftigen Rückenwind: Über 20 Wirtschaftsverbände des Landes schließen sich zusammen, um von der Bundesregierung die baldige Einführung der Rechtsform zu fordern. Von Bundesverband mittelständische Wirtschaft bis zum Deutschen Start-up-Verband, von Blockchain-Verband bis hin zur Bundesverband ökologische Wirtschaft, bestätigen die Verbände den unternehmerischen Bedarf nach der Rechtsform und umreißen klare Eckpunkte, wie diese ausgestaltet werden sollte.
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Wie die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt
Wir, die hier unterzeichnenden Verbände, sehen in der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplanten neuen Rechtsform, die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV), eine große Chance für die Soziale Marktwirtschaft, für die Stärkung unabhängiger Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Gesellschaftsrecht sollte um eine weitere sinnvolle Wahlmöglichkeit ergänzt werden, die den Bedarfen vieler von uns vertretenen Unternehmerinnen und Unternehmer Rechnung trägt.
Für mittelständische Unternehmen bietet die neue Rechtsform die Möglichkeit, den Pool potenzieller Nachfolgerinnen maßgeblich zu erweitern. Die Rolle und Verantwortungsübernahme des Eigentümers kann unabhängig von der individuellen Vermögenslage und über den Kreis der leiblichen Familie hinaus an eine neue Generation von Eigentümerinnen übertragen werden, z. B. an Mitarbeitende oder andere Leistungsträger. Gerade der häufige Fall, wenn Mitarbeitende sich aufgrund ihrer Bonität nicht für den Kaufpreis des Unternehmens verschulden können, und der abgebende Gesellschafter bereit ist, das Unternehmen günstiger weiterzugeben, aber eine Sicherheit haben will, dass die Nachfolger das Unternehmen nicht zum nächsten Zeitpunkt versilbern, wird durch die GmgV gelöst. So, wie es Pioniere wie Bosch, Zeiss, Carlsberg oder Novo Nordisk teilweise schon seit über 100 Jahren gelöst haben und vorleben. Das Unternehmen wird dadurch im Fall einer Übergabe nicht durch die Refinanzierungsnotwendigkeit eines hohen Kaufpreises unnötig belastet. 72 Prozent der Familienunternehmer in Deutschland sprechen sich daher für eine Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingung in Form einer neuen Rechtsform mit Vermögensbindung aus. [1]
Auch für nicht-Exit-orientierte Start-ups [2], die den deutschen Mittelstand von morgen aufbauen, erweitert die neue Rechtsform die Gestaltungsfreiheit der Gründerinnen, ihr Unternehmen unabhängig und wirtschaftlich nachhaltig aufzubauen. Insbesondere im Kontext der digitalen Plattformökonomie sowie bei der Mitarbeitergewinnung kann eine neue Rechtsform unternehmerisches Potential bieten.
Für die wachsende Zahl von Sozialunternehmen in Deutschland, die sich mit ihrem Geschäftsmodell dem Lösen gesellschaftlicher Herausforderungen widmen, sieht der Koalitionsvertrag der Bundesregierung ebenfalls eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen vor. Die neue Rechtsform stellt eine solche dar. Sozialunternehmen, die nicht gemeinnützig sind, trotzdem aber eine sichere Vermögensbindung wünschen, würden genau dies mit der GmgV umsetzen können.[3]
Deswegen setzen wir uns für eine unbürokratische und unternehmerisch praktikable Lösung ein, um die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung bestmöglich umzusetzen. Die Diskussion der letzten Jahre hat gezeigt, dass dafür eine eigene Rechtsform – die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen – die beste Umsetzungslösung darstellt. Sie sollte folgende vier Kernelemente enthalten:
1) Vermögensbindung
Kernelement einer GmgV ist die unabänderliche Vermögensbindung. Gewinne können weder offen noch verdeckt an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern werden thesauriert, investiert oder gemeinnützig gespendet. Das Unternehmensvermögen sowie Gewinne sollen damit rechtlich verbindlich der langfristigen Unternehmensentwicklung dienen.
2) Aktives Gesellschafterverständnis
Grundlegend für die GmgV ist das Leitbild aktiver, persönlich in der Gesellschaft engagierter Gesellschafter, die sich in einer persönlichen Verantwortung für die langfristige Entwicklung des Unternehmens sehen. Der Kreis der Gesellschafterinnen ist diesem Leitbild entsprechend gesetzlich einzugrenzen. Die Gesellschafter halten Eigentum an den Stimmrechten des Unternehmens, ihnen stehen im Sinne der umfassenden Vermögensbindung keine Gewinnbezugsrechte zu, ihre Vergütung erfolgt nach dem Leistungsprinzip.
Diesem Leitbild entsprechend sind die Eigentumsrechte an einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen nicht vererblich und sollen unabhängig von der individuellen Finanzkraft nach dem Prinzip der Fähigkeiten und Werte an die nachfolgende Unternehmergeneration weitergegeben werden. Neue Gesellschafterinnen erhalten das Eigentum an den Stimmrechten gegen Zahlung eines festen Nennwertes von der Gesellschaft.
3) Keine Zweckbindung
Entsprechend dem Bedarf aus der unternehmerischen Praxis soll die neue Rechtsform allen denkbaren unternehmerischen Initiativen offenstehen. Die Wahl eines speziell gemeinwohlförderlichen oder gemeinnützigen Zweckes soll möglich, aber nicht verpflichtendes Merkmal der neuen Rechtsform sein. Im Sinne eines betriebswirtschaftlich flexiblen und ökonomisch agilen Unternehmensverständnisses soll die Gesellschaft zudem jederzeit ihren Zweck ändern können.
4) Kontrolle der Vermögensbindung
Die Vermögensbindung ist in Anbetracht ihrer Signalwirkung bestmöglich gegen Missbrauch abzusichern. Um dies zu gewährleisten, braucht es schlanke Berichtspflichten bzgl. der Geschäfte mit Gesellschaftern (und „related parties“), Haftung von Geschäftsführerinnen und Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern für die Ausstellung eines Testats hinsichtlich der Einhaltung der Vermögensbindung und einen mit Einsichts- und Klagerechten ausgestatteten Unternehmensaufsichtsverband, der im Namen der Gesellschaft Klage erheben kann. Der Unternehmensaufsichtsverband, in dem jede Gesellschaft mit gebundenem Vermögen zur Mitgliedschaft verpflichtet ist, ist staatlich lizenziert und ermöglicht eine sinnvolle Peer-to-Peer-Kontrolle.
Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen darf kein Steuersparmodell sein. Ertragsteuerlich ist sie wie jede andere Kapitalgesellschaft zu behandeln, die sich für die Thesaurierung ihrer Gewinne entschieden hat. Erbschaftsteuerrechtlich genießen die Erben der Gesellschafterinnen keine Vorteile. Sie erhalten lediglich einen Anspruch gegen die Gesellschaft in Höhe des vom Erblasser ursprünglich geleisteten Nennwertes.
Die GmgV würde den Kanon der Rechtsformen ergänzen, keine andere Rechtsform ersetzen oder schlechter stellen. Sie ist ein Angebot, eine wichtige Option für die Herausforderungen im Rahmen der Nachfolge im Mittelstand und eine Chance für nicht-Exit-orientierte Start-ups, die unabhängig bleiben wollen, sowie für Sozialunternehmen. Ein gutes Angebot ist sie aber nur dann, wenn eine unbürokratische, einfache Lösung, eine eigenständige Rechtsform etabliert wird, die von Unternehmern ohne große Beratung umgesetzt werden kann. Dem beschriebenen Bedarf ist nicht mit leichten Veränderungen im GmbH-Recht und der Ermöglichung von Hilfskonstruktionen für eine Vermögensbindung oder mit komplizierten Stiftungsmodellen beizukommen. Die Absicherung der für die Rechtsform wesentlichen Vermögensbindung durch einen separaten Aufsichtsverband wie auch die besondere rechtliche Natur der nicht übertragbaren Anteile sind im GmbH-Recht nicht umzusetzen und machen die Etablierung einer eigenen neuen Rechtsform notwendig.
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, für „Gesellschaften mit gebundenem Vermögen“ eine „neue geeignete Rechtsgrundlage“ schaffen will. Vor dem Hintergrund der skizzierten Sachverhalte heißt dies: eine eigenständige Rechtsform. Als eine weitere Option wird sie, wie andere Rechtsformen auch, ihren Teil dazu beitragen, die Vielfältigkeit der deutschen Wirtschaft, den Wettbewerb und die Innovationskraft zu stärken und unseren Wohlstand in die Zukunft zu tragen.
Unterzeichnende Verbände:
[1] 72 % der Familienunternehmer in Deutschland sprechen sich daher für eine Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingung in Form einer neuen Gesellschaftsrechtsform mit Vermögensbindung aus. S. Allensbach Studie Verantwortungseigentum 2021. Abrufbar unter: https://www.neue-rechtsform.de/allensbach-studie-1/
[2] Fast 40 % der Unternehmenspioniere in Deutschland gründen ohne Exit-Orientierung. S. Deutscher Startup Monitor 2022. Abrufbar unter: https://deutscherstartupmonitor.de/#dsm2022
[3] Das Fehlen einer passenden Rechtsform wird für 51,4 % der Sozialunternehmer als Hürde wahrgenommen. S. SEND e. V., Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2019. Abrufbar unter: https://www.send ev.de/uploads/DSEM2019.pdf